Die Kleine Pechlibelle ist Libelle des Jahres 2022 in Deutschland

Gemeinsam mit dem BUND kürt die GdO die Kleine Pechlibelle (Ischnura pumilio) zur Libelle des Jahres 2022. Traditionell gibt der BUND dies im Rahmen ei­ner Pressekonferenz im Dezember in der Bundes­hauptstadt Berlin bekannt. Diesmal ist eine Art ausgewählt worden, die zwar weit verbreitet, aber nirgends häufig ist. Die Kleine Pechlibelle macht es den Libellenkundlern nicht leicht. Oft tritt sie unverhofft wie „Phönix aus der Asche“ an neu angelegten bzw. frisch entstandenen Gewäs­sern auf, ohne dass man weiß, wo sie hergekom­men ist. Die Kleine Pechlibelle ist eine Pionierart, die darauf spezialisiert ist, sich früh in jungen Gewässern anzusiedeln. Hier kann sie bei guter Eignung der Gewässer für meist wenige Jahre größere Populationen aufbauen, von denen aus Individuen dann in die Umgebung ausstreuen und als neuen Trittstein das nächste Gewässer be­siedeln. Junge Weibchen dieser Art sind durch ei­ne lebhaft orange Farbvariante unverkennbar.

Männchen der Kleinen Pechlibelle. Foto: Michael Post
Orangefarbenes Weibchen der Kleinen Pechlibelle. Foto: Michael Post

Mit der Wahl der Kleinen Pechlibelle zur Libel­le des Jahres sollen drei Botschaften vermittelt werden:

Pionierarten wie die Kleine Pechlibelle sind auf dynamische Lebensräume in unserer Landschaft angewiesen. Hier sind es kleine Stillgewässer, die immer mal wieder neu entstehen müssen. Klassi­scherweise geschieht dies in naturnahen Auen, wo die Fließgewässer durch ihre Hochwässer sehr regelmäßig geeignete Strukturen entstehen lassen. Renaturierungen von größeren Bächen und Flüssen fördern diese Art. Typische Sekun­ därlebensräume sind Abgrabungen oder Steinbrü­che, wo im laufenden Betrieb solche Gewässer­strukturen immer wieder neu entstehen. Die meist offenen, gut sonnenexponierten Kleinge­wässer weisen gewöhnlich wenig Konkurrenz durch andere Arten auf und die Kleine Pechlibel­le kann neben ihrem einjährigen Entwicklungs­zyklus bei uns unter günstigen Bedingungen auch eine zweite Generation im Jahr hervorbringen (bivoltin). Der Klimawandel kann allerdings da­zu führen, dass kleine Gewässer für solche Pio­nierarten zu rasch austrocknen oder verlanden. Die Förderung nachhaltig ­dynamischer Prozesse in der Landschaft ist daher ein wichtiger Schutz­ansatz für diese Spezialisten. Die Kleine Pechli­belle steht in einigen Bundesländern auf der Roten Liste der gefährdeten Arten und durch die besondere Lebensweise gibt es immer noch Kenntnisdefizite, die wir durch die hier ange­strebte besondere Aufmerksamkeit für die Art re­duzieren möchten.

Wie der Name „Kleine Pechlibelle“ vermuten lässt, gibt es tatsächlich auch noch eine „Große Pechlibelle“ (I. elegans). Diese Schwesterarten sind aber nur selten an der Größe auseinanderzu­halten, vielmehr gilt es genau nach den Unter­scheidungsmerkmalen zu schauen, um die Arten exakt zu bestimmen. Die Lage einer „blauen La­terne“ (blau gezeichnete Körpersegmente am En­de des Hinterteils der Tiere) hilft hier weiter, man muss allerdings den Unterschied kennen und ge­nau hinsehen. Wie so oft ist also auch bei den Pechlibellen, die so heißen, weil ihr Hinterleib bis auf die vorgenannte blaue Laterne pech­schwarz ist, genaue und konzentrierte Beobach­tung gefragt. Denn da die Große Pechlibelle unsere häufigste Kleinlibelle ist, können sich we­nige Individuen der kleinen Schwesterart mühe­los in einem großen Bestand von I. elegans „ver­stecken“, wenn man nicht aufmerksam ist.

Neben der Artbestimmung ist dann bei den Pechlibellen und besonders bei der Kleinen Pech­libelle die Variabilität der Individuen bemerkens­wert. Vor allem die Weibchen durchlaufen während ihrer Reifung nach dem Schlupf deutli­che Farbwechsel. Dies ist unter anderem wichtig, weil dadurch die Männchen sofort erkennen, mit wem sie sich paaren können und wo dies nicht fruchtbar ist. Libellen sind Augentiere und verfü­gen über ein sehr differenziertes Farbensehen. Sie besitzen viel mehr Farbrezeptoren als wir Menschen und können so Farben, die für uns ein­heitlich aussehen, noch nuanciert unterscheiden und auf diese Weise auch miteinander „kommu­nizieren“. Wir können also auch auf diesem Sektor noch einiges von anderen Tieren lernen.

Paarungsrad der Kleinen Pechlibelle. Foto: Michael Post