Die Wanderlibelle (Pantala flavescens) ist die Libelle des Jahres 2021 in Deutschland

Gemeinsam mit dem BUND kürte die GdO Ende 2020 die Wanderlibelle (Pantala flavescens) zur Libelle des Jahres 2021.

Traditionell gab der BUND dies im Rahmen einer Pressekonferenz im Dezember in der Bundeshauptstadt Berlin bekannt. Und gar nicht so weit davon, nämlich im südöstlichen Brandenburg wurde diese Art erst 2019 das erste Mal eindeutig in Deutschland nachgewiesen und ist damit aktuell das jüngste Mitglied der anerkannten einheimischen Libellenfauna (die 82. Art in Deutschland). Dabei gelang dem Erstbeobachter (Dr. André Günther aus Freiberg in Sachsen) neben dem fotografisch gut belegten Erstnachweis auch gleich noch der Beleg einer erfolgreichen Reproduktion durch den Fund einer Exuvie der Art. Die Fundgeschichte ist in Libellula 38 3/4 (2020) publiziert und dezidiert beschrieben (die Arbeit gibt es auch als pdf unter researchgate im Internet).

Wir möchten mit der Wahl der Wanderlibelle zur Libelle des Jahres drei Botschaften verbreiten:

Der aktuelle Fund der Wanderlibelle in Deutschland ist aus verschiedener Sicht kein Zufall. Vielmehr ist es ein weiteres deutliches Indiz für den Klimawandel und die vielfältigen Umbrüche, die wir Menschen damit auslösen. Obwohl die Wanderlibelle ihren deutschen Namen völlig zurecht trägt global betrachtet „die“ Wanderlibelle schlechthin ist und sich ein riesiges Areal erobert hat, ist sie in Europa bis vor wenigen Jahren nicht beobachtet worden. Nun aber verändern sich mit dem Klima auch die traditionellen Wetter- und Windsysteme und früher unbekannte oder sehr seltene Fronten ziehen auf. Im Jahr 2019 brachten diese neben der Wanderlibelle auch einen starken Einflug der Schabrackenlibelle (Anax ephippiger) nach Deutschland. Gerade die hochmobilen Libellen sind gute Bioindikatoren für die enormen Veränderungen durch den Klimawandel und auch in Deutschland können wir nun schon seit einigen Jahren eine hochdynamische, teils turbulente Veränderung der Libellenfauna erkennen. Kritisch ist dabei die hohe Geschwindigkeit des Wandels und die große Unsicherheit, ob die Mehrzahl der Arten unter diesen neuen Bedingungen bei uns dauerhaft weiterexistieren können. Das gilt es aufmerksam zu verfolgen.

Ohne diese Aufmerksamkeit – gerade beim Beobachten im „Feld“ – bliebe aber auch vieles unentdeckt. Und die Erstbeobachtung der Wanderlibelle ist auch von daher kein Zufall, denn der Erstbeobachter Dr. André Günther kennt die Art aufgrund seiner vielen Reisen zur Libellenkunde in Länder, in denen die Wanderlibelle seit je her zuhause ist, gut! So konnte er die Art direkt sicher ansprechen, was dieser Erstbeobachtung aber keinen Abbruch tun soll!! Unser Erkennungssystem – nicht nur aber gerade auch das visuelle – arbeitet allerdings bevorzugt mit vorgefertigten Schubladen und versucht alle Beobachtungen in diese einzuordnen. „Wir sehen, was wir kennen.“ Es ist daher ein schwieriger Prozess etwas Unbekanntes gut zu verarbeiten und korrekt zu bestimmen. Einerseits will man sich sicher sein und keine „Ente“ entdecken, andererseits wäre es unglücklich, wenn wichtige Beobachtungen in der Routine untergehen. Die Beobachtung der Wanderlibelle unterstreicht daher auch den Wert qualifizierter und disziplinierter Feldarbeit. Solide Artenkenntnis – auch über den lokalen Tellerrand hinaus – und Erfahrung, gern auch in Kooperation, erworben und angewendet sind das Rüstzeug der Freilandökologen und eben auch der Libellenkundler. Dabei kann jeder teilnehmen und alle teilhaben lassen. Datenmeldungen in die bekannten Foren, die zum Schutz der Libellen beitragen, ist ein wichtiger Beitrag dazu.

Nicht zuletzt aber ist die Wanderlibelle ein Aushängeschild für das, was Libellen ausmacht. Erst vor einigen Jahren und in der Art eines „hitchcockartigen“ Wissenschaftskrimis konnte das ausgeklügelte Wanderverhalten der Art aufgeklärt werden. Pantala flavescens auf Englisch auch „global wanderer“ ist wahrhaftig ein Weltenwanderer und wandert in riesigen Schwärmen zwischen Afrika und Asien hin und her um die Monsunregen zu nutzen und immer dort gerade anzukommen, wo die Wetterfronten systematisch die passenden Fortpflanzungsgewässer bereitet haben. Eine geniale Evolution, die deutlich macht, welches Leistungsvermögen in kleinen Organismen wie diesen Insekten steckt und wieviel wir davon noch lernen können. Wer den Vortrag noch nicht kennt, dem sei er wärmstens ans Herz gelegt, wirklich eine Sternstunde der Wissenschaft: https://www.ted.com/talks/charles_anderson_dragonflies_that_fly_across_oceans
Die Fundbeschreibung von André in Libellula (s.o.) und die Bilder von Michael Post (s.u.) mögen helfen, auch die nächsten Besuche der Wanderlibelle bei uns rasch und sicher festzustellen. Viel Spaß und Erfolg dabei!